Die eigenartigen Träume – Teil 2
Ich kann mich noch gut daran erinnern wie ich auf einmal aus einem Traum erwachte, denn es geschah mitten in der Nacht. Die Nacht war frisch und mir war kalt, doch paradoxerweise hatte ich von Licht und Wärme geträumt und von einer Fülle guter, herrlicher Dinge. Man könnte sagen, dass diese Vision eine Auswirkung auf meine Gedanken, meine Einstellung hatte. Aus diesem Traum erwuchs mein Glaube – nein, meine Überzeugung – dass in mir zwei unterschiedliche Wesen wohnten. Meine eigene, bessere Seite bot mir die Unterstützung, die ich vergebens von meinen „Freunden“ erwartet hatte. Die andere Seite, das Negativ-Wesen versuchte noch und noch von mir Besitz zu nehmen.
Diesen Zustand beschreibt man wohl mit dem Wort „Doppelgänger“, allerdings trifft dieses Wort nicht genau das was ich meine. Ein Doppelgänger kann niemals mehr als eine einfache, schlechte Kopie sein, denn er verfügt über keinerlei Persönlichkeit respektive Individualität. Doch ich möchte hier nicht philosophieren, da die Philosophie in diesem Zusammenhang nichts weiter als ein Kleidungsstück darstellt, das der Verzierung einer steifen Schneiderpuppe dient. Darüber hinaus war es nicht der Traum an sich der sich auf mich auswirkte, sondern der prägende Eindruck den dieser bei mir hinterliess sowie sein Einfluss, den er letztendlich auf mich ausübte. Dadurch gelang mir meine innere Befreiung. Kurz gesagt, ich stärkte mein anderes ich.
Nachdem ich mich in diesem eigenartigen Traum durch einen kräftigen Regensturm gekämpft hatte, sah ich durch ein Fenster in dieses eine fiktive Hause und erblickte diese andere Präsenz, mein eigentliches Wesen. Es hatte eine gesunde rosa Gesichtsfarbe und vor ihm, in einem massiven Kamin, prasselte ein prächtiges Feuer. In seinem Gebaren lag eine bewusste Kraft und Macht. Körperlich wie mental verfügte er über eine äusserst starke Muskulatur. Ich klopfte zaghaft an die Tür und er bat mich herein. In seinen Augen bemerkte ich ein spöttisches, jedoch nicht unfreundliches Lächeln während er mich zu einem Stuhl in der Nähe des Kamins geleitete. Jedoch begrüßte er mich er mich mit keinem einzigen Willkommensgruß. Nach einem kurzen Aufwärmen stellte ich mich wieder dem heftigen Sturm, bedrückt von der Scham die der Kontrast zwischen uns beiden mir auferlegt hatte. Und genau in diesem Moment schrak ich aus meinem ersten Traum auf und sah…
Die Präsenz…
Als ich erwachte, war ich nicht allein. Da war diese Präsenz anwesend, für andere unsichtbar und unspürbar wie ich später bemerkte. Doch für mich war sie sehr real. Diese neue Präsenz sah ähnlich aus wie ich, und doch wiederum war sie mir frappierend unähnlich. Die Brauen traten nicht mehr hervor als die meinen, doch erschienen sie mir runder und voller; der Blick war klar, direkt und zielgerichtet, die Augen glühten vor Begeisterung und Entschlossenheit Die Lippen, das Kinn – ja der ganze Gesichtsausdruck und die gesamte Körperhaltung strahlten starke Dominanz und Entschlossenheit aus. Sie wirkte ruhig, besonnen und selbstbewusst. Mit einem nervösen Zittern duckte ich mich weg, ich fürchtete mich vor diesem ungreifbaren Schatten.
Als sich die Präsenz wegdrehte, folgte ich ihr und den ganzen Tag lang verlor ich sie nicht mehr aus den Augen. Es sei denn, wenn sie eine Zeit lang durch eine Tür verschwand. Eine Tür durch die zu treten ich nicht wagte. An solch einem Orten wartete ich voller Ehrfurcht und Beklommenheit auf ihre Rückkehr. Ich konnte nicht umhin, mich über die Kühnheit der Präsenz, die mir so sehr glich und die mir doch so sehr unähnlich war zu wundern. Sie, welche dort einzutreten wagte wohin mich meine Füße nicht zu tragen trauten.
Es schien mir in diesem Nachfolgetraum auch, als ob ich absichtlich zu den Orten und den Menschen hin geführt wurde, wovor und vor welchen zu erscheinen ich mich am meisten fürchtete. Ich wurde zu Verwaltungsbüros geleitet, wo ich einst alle meine Geschäfte getätigt hatte und zu Männern, gegenüber denen ich finanzielle Verbindlichkeiten hatte. Den ganzen Tag über folgte ich wie im Zwang der Präsenz, und am Abend sah ich, wie sie durch die schwere Eingangstür eines für seine fröhliche Geselligkeit bekannten Gasthofes verschwand. In jener Nacht begegnete mir in meinen Träumen nicht mein Besseres Selbst wie ich es nannte. Doch als ich zufällig aus meinem Schlummer erwachte, war es in meiner Nähe und trug wieder dieses ruhige Lächeln freundlichen Spotts, das weder mit einer Form von Mitleid noch von Erbarmen zu verwechseln war. Seine Verachtung traf mich voll und bitter.
Der zweite Traumtag glich dem ersten, der sich also wiederholte, und ich war wieder dazu verurteilt, draußen zu warten, während die Präsenz Orte aufsuchte, dich ich nur zu gern betreten würde, wenn ich nur den hierfür erforderlichen Mut aufgebracht hättet. Mehrmals wollte ich sie, die Präsenz ansprechen, doch die Worte blieben mir vor Angst unhörbar im Halse stecken und so ging dieser Tag wie der vorherige zu Ende. Dies geschah an vielen Tagen, einer nach dem anderen, bis ich mit dem Zählen aufhörte. Allerdings bemerkte ich, dass das ständige Zusammensein mit der Präsenz eine Wirkung auf mich hatte und als ich eines Nachts erwachte und ihre Anwesenheit spürte, fasste ich mir ein Herz und sprach sie an, wenn auch mit gehöriger Schüchternheit.
„Wer bist du?“, wagte ich zu fragen, und der Schreck über den Klang meiner eigenen Stimme ließ mich eine aufrechte Haltung einnehmen. Die Frage schien meinen Begleiter zu erheitern, und ich bildete mir ein, dass sein Lächeln etwas weniger spöttisch war als er mich musterte. „Ich bin, der ich bin“, erhielt ich zur Antwort. „Ich bin der, der du einst gewesen bist; Ich bin der, zu dem du wieder werden kannst – weshalb zögerst du also? Ich bin der, der du einmal warst und den du unüberlegt hinausgeworfen hast um dir eine andere Gesellschaft zu suchen. Ich bin der Mann, der nach Gottes Ebenbild erschaffen wurde und der einst deinen Körper bewohnte. Einst wohnten wir gemeinsam darin, nicht in voller Harmonie, denn das kann niemals sein und auch nicht in Einheit, denn das ist unmöglich sondern als gemeinschaftliche Bewohner, die sich nur selten um den vollen Besitz stritten. Damals warst du ein kümmerliches Wesen, doch du wurdest so eigensüchtig und zunehmend überheblich, dass ich nicht länger bei der bleiben konnte. Daher verließ ich deinen Körper. In jedem menschlichen Körper der in diese Welt geboren wird, gibt es ein Positiv-Wesen und ein Negativ-Wesen. Dasjenige der beiden, das vom Fleisch bevorzugt wird, das wird dominieren. Das andere trachtet dann danach, seine Behausung zu verlassen, sei es für eine gewisse Zeit oder auch für immer. Ich bin das Positiv-Wesen deiner selbst, und du bist gegenwärtig das Negativ-Wesen. Ich besitze alles, dir gehört nichts. Der Körper, den wir beide bewohnten, ist mein, doch er ist unsauber und ich will nicht darin wohnen. Reinige ihn, so kannst du ihn wieder in Besitz nehmen.“
„Warum verfolgst du mich?“, fragte ich die Präsenz.
„Du hast mich verfolgt und nicht ich dich. Du kannst eine Zeit lang ohne mich existieren, doch dein Weg führt dann stetig abwärts und am Ende wartet der Tod. Nun, da du dich dem Ende näherst, willst du debattieren, ob es nicht doch ratsam wäre, dein Haus zu reinigen und mich hereinzubitten. Tritt einen Schritt zur Seite, weg von deinem Verstand und deinem Willen. Reinige diese von deiner Anwesenheit. Nur unter dieser Bedingung werde ich mich dort jemals wieder einfinden.“
„Mein Verstand hat seine Kraft verloren“, sagte ich zögerlich, „und mein Wille ist schwach; kannst du beides wieder in Ordnung bringen?“
„Hör mir nun gut zu!“, befahl die Präsenz. Sie türmte sich über mir auf, während ich unterwürfig vor ihren Füßen kauerte.
„Dem Positiv-Wesen eines Menschen sind alle Dinge möglich. Die Welt ist ihm untertan, sie ist sein Besitz. Er hat vor nichts Angst, er fürchtet nichts und lässt sich von nichts aufhalten. Er bittet nicht um Privilegien, sondern er fordert sie ein; er dominiert und kann nicht zurückweichen. Seine Bitten sind Befehle, aller Widerstand schwindet bei seiner Annäherung; er zertrümmert Berge, füllt Täler auf und schreitet auf einer flachen Ebene voran, auf der es kein Stolpern gibt.“
Daraufhin schlief ich wieder ein, und als ich erneut erwachte, schien ich mich in einer anderen Welt zu befinden. Die Sonne lachte vom Himmel und ich bemerkte, dass über meinem Kopf die Vögel zwitscherten. Mein Körper, der noch gestern voller Zittern und Unsicherheit gewesen war, strotzte nun vor Kraft und voller Energie. Ich blickte voller Erstaunen auf die Vergangenheit unter der ich für so lange Zeit Zuflucht gesucht hatte und machte mir voller Erstaunen bewusst, dass ich die letzte Nacht unter ihrem Schutz verbracht hatte.
Ich bitte nun den Leser, die folgenden Ermahnungen zu beherzigen, denn davon hängt die Worte „GLÜCK und ZUFRIEDENHEIT“ und alles, was dazugehört ab.
- Was Du Dir immer Gutes wünschst, es gehört dir. Du musst nur überzeugt davon deine Hand ausstrecken und es in Besitz nehmen.
- Lerne, dass Dein Bewusstsein die beherrschenden Kraft in Dir ist und Dir den Besitz aller erreichbaren Dinge ermöglicht.
- Habe keine Angst, in welcher Art auch immer, denn die Angst ist ein Gehilfe des Negativ-Wesens.
- Verfügst Du über bestimmte Talente, so setze diese gezielt ein. Sie müssen der Welt und Dir einen Nutzen bringen!
- Mach Dir Dein Positiv-Wesen Tag und Nacht zum Begleiter. Wenn Du seinen Rat befolgst, kannst Du nicht fehlgehen.
- Bedenke, dass Deine Welt eine Ansammlung von Tatsachen ist.
- Beginne, und tue das was Deinen Talenten entspricht. Schenke den täglichen Ablenkungen keine Beachtung und entscheide selbst wie Du Deine Dir selbst gesteckten Ziele erreichst.
- Das Positiv-Wesen in Dir schenkt Dir Glück. Bei jedem Deiner Schritte wartet das Glück auf Dich! – ergreife es – halte es fest, denn es gehört ganz Dir und so erreichst Du ebenfalls Deine innere Zufriedenheit.
- Mache dich nun ans Werk und sei Dir stets dieser Ermahnungen bewusst.
Strecke deine Hand aus und ergreife das Positiv-Wesen, das du dir vielleicht noch nie zu Diensten gemacht hast, außer bei wirklichen Notfällen. Bedenke, das Leben ist einer der schwersten Notfälle. Dein Positiv-Wesen steht in diesem Moment an deiner Seite. Reinige deinen Verstand und stärke deinen Willen, und es wird Besitz von dir ergreifen. Es wartet auf dich.
- Beginne noch heute, beginne jetzt mit dieser neuen Reise.
Sei stets auf der Hut, welches Wesen dich im Besitz nehmen will, das andere, das Positiv-Wesen wartet an deiner Seite – Lass das Negativ-Wesen niemals eintreten, und sei es auch nur für einen kurzen Moment.
- Meine Aufgabe ist nun erledigt. Ich habe das Rezept für das „Glück und die Zufriedenheit“ niedergeschrieben. Wenn es konsequent befolgt wird, kann es niemals versagen.
Wenn meine Worte möglicherweise nicht völlig verstanden werden, so wird das Positiv-Wesen des Lesers diesen Mangel ausgleichen. Ich übergebe das Geheimnis dieses alles durchdringenden Guten an Dich selbst – mach es Dir zu Eigen!